Im EU-Parlament: Werden die Schockbilder aus Syrien jetzt doch gezeigt?

Von: Von Björn Stritzel

Die Diskussion um die vom Europa-Parlament abgelehnte Ausstellung von Folter-Fotos hält an. Nun will sich EU-Präsident Martin Schulz persönlich des Falls annehmen.

Wie BILD berichtete, hatte ein Gremium des Parlamentspräsidiums – die sogenannten Quaestoren – die Ausstellung abgelehnt. Die Begründung der fünf Mitglieder: Zu schockierend und verstörend seien die Fotos, auf denen die Opfer des syrischen Diktators Assad zu sehen sind.

Die Ausstellung, die schon im Hauptgebäude der Vereinten Nationen gezeigt wurde, umfasst Bilder des ehemaligen Regime-Arztes „Caesar“, der 50 000 Fotos aus den Foltergefängnissen Assads auf einem USB-Stick aus Syrien geschmuggelt hat. Sie zeigen ausgemergelte, verstümmelte Leichen und beweisen auf drastische Art die Grausamkeit des Assad-Regimes.

BILD erfuhr, dass EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) jetzt auf den Fall aufmerksam geworden sein soll. Schulz prüfe die Entscheidung der Quaestoren und suche nach einer Möglichkeit, die Ausstellung doch noch im öffentlich zugänglichen Bereich des Europaparlaments stattfinden zu lassen.

„Zu verstörend“ für Passanten und Kinder

► Die Abgeordnete Catherine Bearder gehört zu den fünf Quaestoren, die darüber entscheiden, welche Ausstellungen gezeigt werden. Der Ablehnungsbescheid für die „Caesar“-Ausstellung trägt ihre Unterschrift.

Zu BILD sagt sie: „In Übereinstimmung mit den Regeln des Europäischen Parlaments wurde einstimmig entschieden, dass die Fotos zu verstörend sind, um sie im öffentlichen Bereich zu zeigen, da sie dort auch versehentlich von Passanten und Kindern gesehen werden könnten.“

Der öffentliche Bereich des Parlaments sei für viele Besucher zugänglich und es wäre unmöglich, sie vor den drastischen Bilder zu warnen. Bearder: „Den Abgeordneten, die die Ausstellung eingeladen haben, wurde stattdessen empfohlen, die Bilder in ihren Fraktionsräumen zu zeigen, wo sie denen öffentlich gezeigt werden können, die sie sehen wollen.“

► Der EU-Abgeordnete Boguslaw Liberadzki gehört ebenfalls zum Gremium der Quaestoren. Auf die Frage, warum er gegen die Ausstellung votierte, antwortete Liberadzki gegenüber BILD: „Die Organisatoren der Caesar-Ausstellung planten Bilder an prominentester Stelle im EU-Parlament zu zeigen. Aufnahmen, die in ihrer Grausamkeit nicht für jeden Menschen erträglich, geschweige denn jugendfrei sind. Die Sorge der fünf Quaestoren war, dass Besucher des EU-Parlamentes diesen abscheulichen, menschenverachtenden Bildern nicht ‚zwangsausgesetzt‘ werden können.“

Hania Mourtada, eine der Organisatorinnen der Syria Campaign, die sich dafür einsetzt, die Ausstellung im Parlament zu zeigen, kritisiert diese Entscheidung. „Wenn europäische Politiker sich sogar weigern, sich die Bilder von Menschenrechtsverletzungen in Syrien anzusehen, welche Hoffnung gibt es dann, dass sie diese stoppen werden?“, sagte sie zu BILD.

„Europa setzt militärische Mittel ein, um Schleuser zu stoppen, weigert sich aber, die Gründe für die Flucht der Syrer auch nur anzusehen?“

Ein Angehöriger klagt an

Der syrische Geschäftsmann Hussein Sif (29) hat vom Tod seines Cousins durch die „Caesar“-Fotos erfahren. Auch er ist über die Entscheidung des EU-Parlaments entsetzt. Sif hatte sich 2011 den Protesten gegen den Diktator Assad angeschlossen. „Wir wollten gegen das unterdrückerische Regime aufstehen, wir wollten Freiheit“, sagte Sif zu BILD.

Zwei seiner Cousins verschwanden während der Proteste in den Geheimgefängnissen von Assads Folterschergen. Vom Tod des einen erfuhren sie von einem ehemaligen Mitgefangenen. Das Schicksal des anderen Cousins, Ahmed, blieb unklar – bis die „Caesar“-Fotos veröffentlicht wurden und die Familie vom Tod Ahmeds erfuhr. „Die Fotos sind der einzige Nachweis, den wir über Ahmeds Tod haben“, sagte Sif. Ahmed hatte arabische Literatur studiert, bevor er von den Sicherheitskräften des Regimes verhaftet, jahrelang gefoltert und schließlich ermordet wurde.

„Es ist eine Schande, dass das Parlament die Ausstellung nicht zeigen will“, empörte sich Sif. „Sie verstecken die Verbrechen. Sie machen sich zu Assads Komplizen, wenn sie ihm helfen, die Verbrechen zu verschweigen.“

Assad-Horror wird nicht beachtet

Organisatorin Hania Mourtada appelliert an Parlamentspräsident Schulz, die Ausstellung doch noch zu zeigen. „Alle reden über ISIS’ grausame Hochglanz-Videos, aber der Horror aus den Regime-Kerkern bekommt viel weniger Aufmerksamkeit, obwohl dieser genauso schrecklich ist.“

Die „Caesar“-Bilder anzusehen wäre laut Mourtada ein erster Schritt, die Menschenrechtsverletzungen in Syrien anzusprechen.

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